Fünf Kardinalfehler bei der Auswahl einer Einkaufsgemeinschaft

In Auswahlverfahren für eine neue Einkaufsgemeinschaft werden sehr oft schwerwiegende Fehler begangen. Das Ergebnis gleicht dann dem Besuch in einem Spielcasino.

Die Analyse der Ausschreibungen über die Anbindung an eine neue Einkaufsgemeinschaft offenbart diverse Kardinalfehler. Fast alle Ausschreibungen in den letzten zwei Jahren beinhalteten fachliche Unstimmigkeiten und vergaberechtliche Verstöße, einige sogar strafrechtliche Probleme!

Kardinalfehler Nr. 1: Bewertung eines Warenkorbs
Die Bewertung eines Warenkorbs als Maßstab für die eigenen Preiskonditionen ist aus mehreren Gründen sinnlos.

Zunächst bilden die von den Einkaufsgemeinschaften angegebenen Preise die Vergangenheit ab. Die Preise für die Zukunft müssen oft gewürfelt werden, da niemand wissen kann, wie sich die Preise verändern werden. Da eine Einkaufsgemeinschaft kein Händler ist, bestimmt sie auch die Preise nicht selbst, kann also auch keine verbindlichen Preise angeben. Für öffentlich-rechtliche Krankenhäuser müssen die Rahmenverträge neu ausgeschrieben werden, da der Beitritt zu den laufenden Verträgen vergaberechtlich verboten ist. Wie soll die Einkaufsgemeinschaft diese Preise voraussagen? Hier wäre die Hilfe einer Wahrsagerin sehr vorteilhaft, ist aber momentan im Vergaberecht nicht etabliert. Folglich haben die im Angebotsverfahren angegebenen Preise keinerlei Relevanz für die Zukunft! (Siehe hierzu auch hier).

Kardinalfehler Nr. 2: Forderung von Einzelpreisen
Wenn die Einkaufsgemeinschaften aufgefordert werden bei einem Warenkorb Einzelpreise zu bennenen, gilt dies als Aufforderung zum Verrat von Geschäftsgeheimnissen und kann auch strafrechtlich verfolgt werden.
(Sehe hierzu auch hier und hier). Da diese Preise ja keine Relevanz für die Zukunft haben, ist die Forderung auch nicht zu begründen.

Kardinalfehler Nr. 3: Bestimmung des Dienstleistungspreises
Die Einkaufsgemeinschaften erbringen kostenpflichtige Einkaufsdienstleistungen. Einige von den Gesellschaften werden durch Lieferantenboni finanziert. Die Bewertung der Einkaufsgemeinschaft auf Basis der Summe des Dienstleistungspreises und des Gesamtwertes eines Warenkorbes ist daher komplett sinnbefreit, da der Warenkorbwert nichts mit dem Dienstleistungspreis gemein hat (die EKG ist ja kein Händler). Durch die Verrechnung von Lieferantenboni können bei einigen Einkaufsgemeinschaften sogar negative Dienstleistungskosten entstehen! Folglich können hier die Einkaufsgemeinschaften frei gewürfelte Daten angeben, die später niemand mehr überprüfen kann. (Siehe auch hier).

Kardinalfehler Nr. 4: Unvollständiger Forderungskatalog
Nur eine Leistung, die explizit gefordert und zugesagt wurde, kann später durchgesetzt werden. Allgemeine Forderungen, wie z.B. “Die Erfüllung der vergaberechtlichen Anforderungen durch die Einkaufsgemeinschaft” sind so sicher, wie ein Gewinn bei Roulette. Folglich muss auf der Basis der Anforderungen einer Klinik explizit festgelegt werden, was benötigt wird. Erst mit diesen Informationen kann die Einkaufsgemeinschaft die Dienstleistungskosten und/oder die Boni kalkulieren.

Kardinalfehler Nr. 5: Fehlende Verbindlichkeit
Eine Einkaufsgemeinschaft lebt von der Verbindlichkeit der Krankenhäuser, denn nur so können entsprechende Bündelungskonditionen verhandelt bzw. ausgeschrieben werden. Wenn die Einkaufsgemeinschaft keine Mengen verbindlich zusagen kann, bekommt sie keine “guten Preise”, die sie dann an die eigenen Kunden/Mitglieder weitergeben kann. Hier sind daher Vorbehalte eines Krankenhauses, vielleicht doch selbst zu verhandeln, völlig kontraproduktiv.

Die Auswahl einer Einkaufsgemeinschaft erfordert eine fundierte Analyse des individuellen Bedarfs einer Klinik und eine dementsprechend formulierte Anforderung (Leistungsverzeichnis/Lastenheft). Im Auswahlverfahren müssen viele Aspekte berücksichtigt werden, die solide Kenntnisse der Einkaufsgemeinschaften sowie des Vertrags- und Vergaberechtes voraussetzen. Ansonsten kann die Klinik die Einkaufsgemeinschaft auch einfach Würfeln und hoffen, dass die “richtige” ausgewählt wird. Na ja, würfeln geht auch wesentlich schneller.

Adam Pawelek
projectontime.de

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