Einkaufsgemeinschaften sind aus dem Gesundheitswesen nicht wegzudenken. Sie sollen Krankenhäusern helfen, Kosten zu senken und Effizienz zu steigern. Doch wie neutral sind diese Zusammenschlüsse wirklich? Wenn Empfehlungen mehr von Interessen als von Objektivität geleitet sind, gerät das Vertrauen der Mitglieder ins Wanken – mit teils gravierenden Folgen.
Die Aufgabe der Einkaufsgemeinschaften: Mehr als nur Rabatte
Auf den ersten Blick scheinen Einkaufsgemeinschaften ein simpler Mechanismus zu sein: Krankenhäuser tun sich zusammen, um gemeinsam bessere Preise für Produkte und Dienstleistungen auszuhandeln. Doch hinter dieser Aufgabe verbirgt sich eine komplexe Verantwortung. Eine Einkaufsgemeinschaft agiert nicht nur als Verhandlungspartner, sondern oft auch als Berater, der seinen Mitgliedern Orientierung gibt.
Hier wird die Neutralität zum wichtigen Faktor: Um als verlässlicher Partner zu gelten, müssen Einkaufsgemeinschaften objektive Empfehlungen aussprechen, die allein auf Qualität, Preis und Nutzen für die Mitglieder basieren. Jede Form von Bevorzugung einzelner Anbieter – sei es durch bevorzugte Platzierung in Portalen, prägnante Darstellung in sozialen Medien oder direkte Empfehlung ohne nachvollziehbare Gründe – stellt diese Neutralität infrage.
Wenn Neutralität auf der Strecke bleibt: Die Konsequenzen
Was passiert, wenn Einkaufsgemeinschaften ihre Neutralität verletzen? Die Auswirkungen sind gravierend. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Krankenhaus entscheidet sich auf Basis einer Empfehlung seiner Einkaufsgemeinschaft für einen Dienstleister. Später stellt sich heraus, dass die Empfehlung weniger auf objektiven Kriterien als auf einer „Gefälligkeit“ der Einkaufsgemeinschaft beruhte. Die Folge? Das Vertrauen der Mitglieder erodiert.
Noch komplexer wird es, wenn einige Mitglieder mit einem empfohlenen Dienstleister zufrieden sind, während andere erhebliche Probleme mit dessen Leistung haben. Wird ein solcher Dienstleister trotz gemischter Erfahrungen weiterhin beworben, entsteht ein massiver Interessenkonflikt. Unzufriedene Mitglieder fühlen sich nicht ernst genommen und könnten der Einkaufsgemeinschaft den Rücken kehren. Die Glaubwürdigkeit der Organisation gerät in Gefahr, und die langfristige Zusammenarbeit im Netzwerk leidet.
Ein weiterer kritischer Punkt entsteht, wenn Dienstleister über ein offizielles Ausschreibungsverfahren ausgewählt wurden und anschließend ein einzelner Anbieter bevorzugt behandelt wird. Ausschreibungen sollen Transparenz und Fairness garantieren. Wenn jedoch ein ausgewählter Anbieter überproportional gefördert wird – etwa durch gezielte Werbung oder häufige Empfehlungen –, wird der Zweck der Ausschreibung untergraben. Dies kann nicht nur rechtliche Konsequenzen haben, sondern auch andere Anbieter benachteiligen, die den Ausschreibungsprozess ebenfalls durchlaufen haben.
Was können die benachteiligten Dienstleister tun?
Die benachteiligten Dienstleister können auf verschiedene Weise reagieren. Zum einen können sie rechtliche Schritte prüfen, insbesondere wenn es Belege dafür gibt, dass die Einkaufsgemeinschaft gegen Ausschreibungs- oder Compliance-Regeln verstoßen hat. Zum anderen können sie aktiv den Dialog mit der Einkaufsgemeinschaft suchen, um Transparenz einzufordern und eine Gleichbehandlung zu erreichen. Die Benachteiligung eines Lieferanten kann dieser wunderbar bei den nächsten Konditionsverhandlungen einsetzen. Hierfür ist es wichtig, dass die Lieferanten/Dienstleister die Beiträge der Einkaufsgemeinschaften in den sozialen Medien kontinuierlich im Blick haben.
Compliance ist nicht nur ein Modewort
Einige Einkaufsgemeinschaften nehmen die Compliance-Problematik nicht ernst genug und berücksichtigen nicht, dass aus Verstößen gegen die Compliance-Regeln auch rechtliche Probleme entstehen können. Die Compliance-Regeln – oft durch Regularien wie das Antikorruptionsgesetz untermauert – verlangen von Einkaufsgemeinschaften ein hohes Maß an Transparenz und Unparteilichkeit. Verstöße können nicht nur finanzielle Sanktionen nach sich ziehen, sondern auch zu einem erheblichen Imageverlust führen. Ein solcher Verlust kann sich schnell auf das gesamte Netzwerk ausweiten und die Glaubwürdigkeit der Organisation nachhaltig beschädigen. Gerade im Gesundheitswesen, wo Vertrauen ein unverzichtbares Gut ist, wirken solche Reputationsschäden besonders fatal. Darüber hinaus können solche Verstöße zu einer intensiveren Überwachung durch Aufsichtsbehörden führen, was den operativen Spielraum der Einkaufsgemeinschaften erheblich einschränken könnte.
Social Media und die Versuchung der Sichtbarkeit
Ein zunehmend kritischer Bereich ist die Nutzung von sozialen Medien durch Einkaufsgemeinschaften. Plattformen wie LinkedIn und Twitter bieten eine große Reichweite, die genutzt werden kann, um Mitglieder zu informieren und das Netzwerk zu stärken. Doch hier lauert die Gefahr: Wenn einzelne Anbieter wiederholt und auffällig hervorgehoben werden, entsteht schnell der Eindruck von Parteilichkeit. Bespiel: Ein Anbieter wird durch die Einkaufsgemeinschaft mehrfach als „Best Practice“ dargestellt, während andere – vielleicht ebenso gute oder bessere – keine Erwähnung finden. Selbst wenn keine Absicht dahintersteht, entsteht der Verdacht, dass finanzielle oder sonstige Anreize im Spiel sein könnten.
Wie Einkaufsgemeinschaften Neutralität wahren können
Die Wahrung der Neutralität ist keine unüberwindbare Herausforderung – sie erfordert jedoch klare Regeln und konsequente Umsetzung. Eine Möglichkeit ist die Entwicklung eines umfassenden Compliance-Programms, das klare Leitlinien zur Auswahl und Darstellung von Anbietern festlegt. Dazu gehört beispielsweise ein Rotationsprinzip, bei dem verschiedene Anbieter gleichberechtigt vorgestellt werden. Auch die Transparenz bei der Kommunikation ist essenziell: Mitglieder sollten stets nachvollziehen können, wie Empfehlungen zustande kommen.
Ein weiterer Ansatz ist die Schulung der Mitarbeiter von Einkaufsgemeinschaften. Diese müssen für die Bedeutung der Neutralität sensibilisiert werden und lernen, wie sie Interessenkonflikte vermeiden. Regelmäßige externe Audits können zusätzlich sicherstellen, dass die Regeln eingehalten werden und Verstöße frühzeitig erkannt werden.
Fazit: Ein Plädoyer für Integrität
Einkaufsgemeinschaften sind ein unverzichtbares Werkzeug im Gesundheitswesen, doch ihre Wirksamkeit hängt entscheidend von ihrer Integrität ab. Neutralität ist hierbei keine nette Dreingabe, sondern die Grundlage ihres Erfolgs. Krankenhäuser und andere Mitglieder müssen sich darauf verlassen können, dass Empfehlungen auf objektiven Kriterien basieren und nicht durch externe Interessen beeinflusst sind. Die Versuchung, bestimmte Anbieter hervorzuheben, mag groß sein – sei es durch finanzielle Anreize oder das Streben nach Aufmerksamkeit in sozialen Medien. Doch am Ende schadet dies nicht nur der Einkaufsgemeinschaft selbst, sondern dem gesamten Netzwerk, das sie unterstützen soll. Der Weg in die Zukunft ist klar: Transparenz, klare Regeln und ein unerschütterliches Bekenntnis zur Neutralität. Nur so können Einkaufsgemeinschaften ihrer Verantwortung gerecht werden und langfristig das Vertrauen ihrer Mitglieder sichern.
Adam Pawelek
HC-Change Consulting