KHZG: Wie schätzt man den Auftragswert?

Bei der Vorbereitung einer Ausschreibung, die über die KHZG-Fördermittel finanziert wird, müssen alle Kliniken eine Auftragswertschätzung vornehmen.

Diese Aufgabe stellt viele Projektleiter vor einige Herausforderungen.

Die korrekte Schätzung des Auftragswertes gehört zu den wichtigen Aufgaben im Rahmen der Vorbereitung einer öffentlichen Ausschreibung.

Denn der Auftragswert bildet die Basis u.a. für zwei wichtige Entscheidungen des Auftraggebers:

  1. Welches Vergabeverfahren muss angewendet werden?

Die “magische Grenze” zwischen der Wahl eines nationalen oder eines EU-weiten Vergabeverfahrens liegt ab dem 01.01.2022 bei Leistungen bei 215.000,00 EUR ohne Mehrwertsteuer.

Der geschätzte Auftragswert entscheidet also darüber, ob ein EU-Verfahren nach VgV/GWB oder ein nationales Vergabeverfahren nach UVgO durchgeführt werden muss.
Oft existieren auch nationale Wertgrenzen, die es erlauben, vereinfachte Verfahren durchzuführen.

Oftmals wird daher versucht, den Auftragswert möglichst niedrig zu schätzen, um nicht EU-weit ausschreiben zu müssen oder die nationalen Erleichterungen anwenden zu dürfen.

  1. Wann kann ich eine Ausschreibung aufheben, weil alle Angebote zu teuer sind?

Der Auftragswert bildet auch die Basis für die Entscheidung über die vorhandene oder eben fehlende Wirtschaftlichkeit der Vergabe. Im Falle einer fehlenden Wirtschaftlichkeit darf der Auftraggeber das Vergabeverfahren aufheben. Man kann es nur dann feststellen, dass die Angebote zu teuer sind und damit unwirtschaftlich, wenn sie massiv über dem geschätzten Auftragswert liegen.

Die Grundlage für die Berechnung des geschätzten Auftragswertes bildet der geschätzter Betrag ohne Umsatzsteuer, der tatsächlich gezahlt werden soll.
Es müssen darin jegliche Kosten für Optionen, Vertragsverlängerungen, Bedarfspositionen, Preisanpassungen etc. einberechnet werden. [1]

Der geschätzte Auftragswert muss dabei realistisch geschätzt und die Einzelheiten des Schätzungsvorgangs in der Vergabeakt dokumentiert werden.[2]

Eine bewusste “Niedrigschätzung” ist gesetzlich verboten und kann zur Feststellung eines schwerwiegenden Vergabefehlers führen, so dass die Fördermittel zurückgefordert werden könnten.

Je stärker sich der geschätzte Wert jedoch dem EU-Schwellenwert nähert, desto genauer muss die Schätzung sein, damit sichergestellt werden kann, dass keine zu niedrige Schätzung vorgenommen wurde, um nicht EU-weit ausschreiben zu müssen.

Für die Methode der Schätzung gibt es keine bestimmte Vorgabe. Sie muss jedoch so gewählt sein, dass ein wirklichkeitsnahes Schätzergebnis zu erwarten ist. [3]

Bei der Ermittlung können unterschiedliche Daten eingesetzt werden, wie z.B. der Mittelwert von mehreren Info-Angeboten, Preise aus Rahmenvereinbarungen, bereits bekannte und abgerechnete Preise etc.

Diese Daten müssen auf den zukünftigen Zeitpunkt der Leistungserbringung ggf. hochgerechnet werden, da für die Schätzung der Zeitpunkt der Leistungserbringung maßgeblich ist. Folglich müssen auch voraussichtliche Preissteigerungen berücksichtigt werden.[4] Dagegen ist die Schätzung des Auftragswertes auf der Basis des niedrigsten vorliegenden Angebotes nicht zulässig, wenn keine anderen Anhaltspunkte existieren, die die Richtigkeit der Schätzung bestätigen.

Die Idee, den Auftrag in mehrere Ausschreibungen aufzuteilen, um so den Schwellenwert nicht zu überschreiten, ist gesetzlich verboten, wenn es hierfür keine objektive Gründe gibt.

Vielmehr müssen bei IT-Projekten alle gleichartigen Aufträge zu einem Gesamtauftragswert addiert werden, wenn sie parallel oder in mehreren Losen beschafft werden. [5]
Ob es sich bei mehreren IT-Leistungen (Lieferleistungen oder/oder Dienstleistungen) um ein einheitliches Projekt handelt, wird meist nach dem sog. “funktionalen Auftragsbegriff” bemessen.
Demnach gehören alle Teile eines Projektes zu einem einheitlichen Projekt (deren Werte also zusammen addiert werden müssen), wenn die Leistungen in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht zusammengehören und eine funktionale Kontinuität aufweisen. Dies gilt auch dann, wenn die Ausführung der einzelnen Leistungen auf mehrere Abschnitte aufgeteilt wird.

Werden also bspw. neue Switche beschafft und will der Auftraggeber auch deren Installation beauftragen, so darf die Dienstleistung der Switch-Installation wertmäßig nicht getrennt betrachtet werden, um so den Wert der Switche-Beschaffung unter den Schwellenwert “zu drücken”. Die Installation der Switche ist ohne die Switche in technischer Hinsicht sinnlos, weil es ohne die Switche nichts zu installieren gäbe.

Wie ersichtlich, ist die korrekte Auftragswertschätzung nicht trivial. Daher sollte es grundsätzlich vermieden werden, durch künstliche Auftragstrennungen etc. den Auftragswert zu senken, um so nicht EU-weit ausschreiben zu müssen. Die Folgen einer falschen Auftragschätzung können für den Auftraggeber mit viel Ärger verbunden sein, der mit einer korrekten Schätzung vermeidbar ist.

Adam Pawelek
projectontime.de

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[1] vgl. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 214/24/EU

[2] vgl. hierzu u.a. Osseforth, T. et al., Handbuch IT-Vergabe 2022, Rd. 103; § 8 VgV, § 6 UVgO

[3] Vgl. BGH Urteil vom 29.11.2016 – X ZR 122/14

[4]  vgl. hierzu u.a. Osseforth, T. et al., Handbuch IT-Vergabe 2022, Rd. 122 ff.

[5]  vgl. hierzu u.a. Osseforth, T. et al., Handbuch IT-Vergabe 2022, Rd. 153 ff.

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