Bereits im Januar 2018 haben wir in unserem Beitrag “Der Preis ist heiß? – Der Warenkorb auf dem Weg zur neuen Einkaufsgemeinschaft” auf die Unzulässigkeit der Bewertung eines Warenkorbes hingewiesen. Jetzt hat das OLG München dieses bestätigt.
Bei den meisten Ausschreibungen der Mitgliedschaft in einer neuen Einkaufsgemeinschaft wird die Bewertung eines Warenkorbes im Kriterium Preis praktiziert. Es werden dabei aus den historischen Daten Warenkörbe gebildet, die gut und gerne mehrere Hundert Artikel beinhalten. Die Einkaufsgesellschaften werden aufgefordert, diese Artikel zu bepreisen. Meistens wird der Gesamtwert eines solchen Warenkorbes zum Dienstleistungspreis hinzuaddiert. Die Einkaufsgemeinschaft mit dem kleinsten Gesamtwert erhält dann den Zuschlag.
Gegen diese Praxis ist eine der führenden Einkaufsgemeinschaften vorgegangen. Im Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer Nordbayern (AZ: RMF-SG21-3194-5-38) wurde die Verwendung eines Warenkorbes zunächst für zulässig erklärt. Das OLG München hat nun den Beschluss der Vergabekammer aufgehoben und der Klinik untersagt, den Zuschlag zu erteilen. Das Krankenhaus wurde angewiesen, das Verfahren mindestens zurückzuversetzen und andere Zuschlagskriterien als den Warenkorb zu bestimmen (OLG Müchen, Az.: Verg 12/20).
Die Klinik hat ursprünglich als Wertungskriterien die Gesamtkosten aus Warenkorb und Dienstleistungskosten mit 50 % in die Wertung genommen und die weiteren 50 % sollten sich aus der Bewertung der Dienstleistungskonzepte und der Bieterpräsentation ergeben. Die Bieter wurden verpflichtet rund 600 Artikel einzeln zu bepreisen (hierzu erscheint bei uns demnächst ein gesonderter Artikel).
Das OLG München hat nach Vorbringen der beiden Parteien festgestellt, dass die klagende Einkaufsgemeinschaft in ihren Rechten verletzt worden ist und die Erteilung des Zuschlags untersagt. Das OLG weist in der Begründung darauf hin, dass nach § 127 Abs. 1 GWB der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen sei. Weiterhin sei in § 127 Abs. 3 GWB geregelt, dass die Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen müssen.
Unter Anwendung dieser Grundsätze könne die Bewertung eines Warenkorbes nicht als ein zulässiges Zuschlagskriterium nach § 127 GWB und § 58 VgV eingestuft werden. Das OLG führt hierzu aus:
- Auf welche Konditionen das Krankenhaus zurückgreifen kann, könne nicht im Voraus, sondern nur in der Rückschau berechnet werden, da die tatsächlich gewährten Konditionen aus den Rahmenverträgen mit Lieferanten von vielen Faktoren abhängig seien und die Einkaufsgemeinschaft es nicht wissen könne, wann und wie das Krankenhaus tatsächlich Waren kaufen wird.
- Bei vielen Artikeln müsse der Bedarf erst ausgeschrieben werden, da die maßgeblichen Schwellenwerte oft überschritten werden.
- Bei den geforderten Preisangaben eines Warenkorbes handele es sich nicht um Preise, die sich auf die Leistung einer Einkaufsgemeinschaft beziehen.
- Preisangaben aus der Vergangenheit seien dazu nicht geeignet, echte Prognosen für die Zukunft vorzunehmen.
- Die Angaben der Einkaufsgemeinschaft im Warenkorb gelten ohnehin als unverbindliche Preisangaben und können von der Einkaufsgemeinschaft nicht garantiert werden.
Das OLG weist darauf hin, dass der Warenkorb eine Bestellung nur simulieren könne und diese Simulation den Gesamtpreis der zu erbringenden Leistung nicht abbilden könne, insbesondere weil “die Einkaufsgemeinschaft die Waren nicht selbst verkauft, sondern nur die Möglichkeit zum Einkauf verschafft.” Die Abfrage wäre am ehesten mit einer “Selbstreferenz” zu vergleichen und damit höchstens als Eignungskriterium zulässig.
Die Entscheidung des OLG München trägt nun wesentlich dazu bei, die Auswahlverfahren einer geeigneten Einkaufsgemeinschaft auf “echte” Werte zu beschränken und stellt klar, dass die Preise eines Warenkorbes hierfür nicht geeignet seien. Auch wenn damit die Anforderungen an eine vergaberechtlich korrekte Ausschreibung gestiegen sind, ist die Entscheidung des OLG München zu begrüßen.
Adam Pawelek