Sind KIS-Erweiterungen ohne Ausschreibung zulässig?

Im Rahmen der KHZG-Finanzierung wird aktuell intensiv diskutiert, ob eine KIS-Erweiterung um neue Funktionen ohne öffentliche Ausschreibung zulässig ist. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine neue Fragestellung, da diese Problematik schon immer bei kommunalen Kliniken bestanden hat und mehrfach gelöst wurde. Diesmal sind aber alle Krankenhäuser betroffen, die solche Projekte über das KHZG-Programm finanzieren wollen.

Bekannterweise unterliegen Beschaffungen, die über Fördermittel finanziert werden, den Regelungen des öffentlichen Vergaberechts (mehr hierzu hier). Dieser Fakt wird zwar meist als großes Problem bezeichnet, bringt aber auch einige Vorteile und ist sehr gut händelbar.

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Was darf der Auftraggeber bestimmen?

Das Vergaberecht schreibt dem Auftraggeber nicht vor, was er zu beschaffen hat. Vielmehr steht es dem Auftraggeber frei, seine Anforderungen an die zu beschaffenden Produkte oder Dienstleistungen gemäß seinem individuellen Bedarf festzulegen (siehe auch hier). Der Auftraggeber hat aber bei der Ausschreibung die wichtigsten Grundsätze des Vergaberechts: die Transparenz, den Diskriminierungsverbot und den Wettbewerbsgebot zu beachten.

Das OLG Düsseldorf hat bereits in 2012 die Bedingungen für die Leistungsbestimmung durch den Auftraggeber konkretisiert und folgende vier Voraussetzungen benannt [1]:

  1. Der Beschaffungsbedarf muss sachlich gerechtfertigt sein.
  2. Die Entscheidung des Auftraggebers muss willkürfrei getroffen werden und es muss für dafür objektive und auftragsbezogene Gründe geben.
  3. Diese Gründe müssen tatsächlich vorliegen (und nicht nur theoretisch sein).
  4. Die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechtes darf nicht in einer diskriminierenden Weise erfolgen.

Auch das EuGH hat klargestellt, dass dem Auftraggeber bei der Formulierung der Leistungsbestimmung ein weites Ermessen zusteht, solange die o.g. Grundsätze des Vergaberechtes eingehalten werden. [2]

Wird die Leistung so “eng” bestimmt, dass am Ende nur ein Anbieter ein Angebot abgeben kann, so ist dies dann zulässig, wenn vom Auftraggeber nachgewiesen wird, dass (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b), Abs. 6 VgV):

  1. aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist

und

  1. es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist.

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Kann ein Krankenhaus eine KIS-Erweiterung ohne Ausschreibung beauftragen?

Die klare Antwort ist: jein.

Es kommt bei der KIS-Erweiterung (Upgrade) auf die konkreten Leistungen an.

Im Rahmen der Prüfung der notwendigen Vorgehensweise sollte zunächst geprüft werden, ob der konkrete Beschaffungsbedarf (Leistungsumfang) überhaupt von einem anderen Anbieter als der aktuelle KIS-Hersteller erfüllt werden könnte. Diese Prüfung sollte sehr umfangreich erfolgen, da eine Vergabe vollkommen außerhalb des Wettbewerbs sehr hohe Anforderungen an die vergaberechtlich korrekte Vorgehensweise stellt. Hier sollten nicht nur technische Aspekte sondern auch die Funktionalität in die Prüfung einbezogen werden. Die Prüfung sollte optimalerweise als sog. Markterkundung durchgeführt werden. [3]

Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für diese Aussnahme trägt der Auftraggeber.[4]

Kann im Rahmen der Prüfung/Markterkundung nachgewiesen werden, dass objektiv nur ein Anbieter – der aktuelle KIS-Anbieter – die Leistung erbringen kann, wäre eine Ausschreibung entbehrlich.

Anders stellt sich die Situation dar, wenn auch andere Anbieter in Frage kämen (Beispiel: Patientenportal). Denn in diesem Fall wären mehr als nur ein Unternehmen in der Lage, den vom Auftraggeber definierten Beschaffungsbedarf zu decken. Hier stünde also der aktuelle KIS-Hersteller mit anderen Anbietern im Wettbewerb. In diesem Fall würde eine Direktvergabe an den KIS-Hersteller einen massiven Verstoß gegen das Vergaberecht bedeuten. Hiergegen könnten die ausgeschlossenen Anbieter rechtlich vorgehen. Das wesentlich größere Problem ist aber der damit verbundene Verstoß gegen die Auflage der KHZG-Förderung, so dass die Gefahr einer Rückforderung der Fördergelder als sehr hoch eingestuft werden kann (siehe hierzu auch hier).

Unabhängig davon, welchen Weg man einschlägt, eine sehr aufschlussreiche und genaue Dokumentation des Entscheidungsprozesses in einem “Vergabevermerk” ist die Grundvoraussetzung. Sehr oft führt unvollständige Dokumentation zu großen Problemen bei der späteren Prüfung der Mittelverwendung. Neben der ausführlichen Dokumentation der Markterkundung und der Gründe für eine Direktvergabe muss immer auch eine Vergabedokumentation nach § 8 VgV (bei EU-Verfahren) bzw. § 6 UVgO (bei Anwendung der UVgO) geführt werden.

Adam Pawelek
projectontime.de

Weitere Beiträge zum Thema KHZG finden Sie hier.

Quellen:

[1] vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.08.2012 – VII-Verg 10/12, Beschluss vom 22.05.2013 – VII-Verg 16/12, Beschluss vom 12.02.2014 – Verg 29/13)
[2] vgl. EuGH, Urteil vom 25.10.2018 – Rs. C-413/17
[3] VK Bund, Beschluss vom 29.09.2020 – VK 2-73/20; auch EuGH, Urt. v. 15.10.2009 – C – 275/08
[4] vgl. VK Bund, Beschluss vom 18.10.2017 – VK 2-106/17

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