KHZG – NRW schießt den Vogel ab

Die Kliniken in Nordrhein-Westfalen sind Kummer gewohnt. Bei der Umsetzung der Förderung aus dem KHZG-Programm hat das Land NRW jedoch “den Vogel abgeschossen”.

Nachdem es über viele Wochen unklar war, welche Ausschreibungsregeln nun in NRW gelten sollen, unsere mehrfache Anfragen hierzu vom Regierungspräsidium Münster einfach ignoriert wurden und Krankenhäuser die elektronische Antragsabgabe fast zur “Mission Impossible” gekürt haben, gibt es seit einigen Tagen Klarheit bezüglich der Ausschreibungsregeln.

Corona sei Dank. Denn das Land NRW hat die Corona-AN-Best-P am 30.06.2021 für gültig für alle KHZG-Projekte erklärt [1]. Und die AN-Best-P-Corona [2] sehen leider nur auf den ersten Blick sehr einfach aus.

Dort ist zur Vergabe von Aufträgen unter Pkt. 3.1 zu lesen (Hervorhebungen d.V.):

Beträgt die Zuwendung oder bei Finanzierung durch mehrere Stellen der Ge-

samtbetrag der Zuwendung mehr als 100 000 Euro muss für Bau-, Liefer- und

Dienstleistungsaufträge kein Vergabeverfahren durchgeführt werden. Aufträge

sind nur nach wettbewerblichen Gesichtspunkten zu wirtschaftlichen Bedingun-

gen zu vergeben. Soweit möglich, sind dazu mindestens drei Angebote einzu-

holen. Verfahren und Ergebnisse sind zu dokumentieren.

 

Unter Pkt. 3.3. werden die kommunalen Krankenhäuser aber von den “Vereinfachungen” des Pkt. 3.1 ausgenommen, d.h. diese müssen “normal” öffentlich ausschreiben.

Die gute Nachricht für die “kirchlichen” und die privaten Krankenhäuser ist, dass diese Träger gegenüber den kommunalen Krankenhäusern bevorzugt behandelt werden. Schaut man sich die üblichen Beratungskosten bei einem EU-Verfahren an, so ist man bei Ausgaben für die Erstellung der Leistungsbeschreibung und die Durchführung des Vergabeverfahrens schnell bei 50.000,- € pro Projekt. Dieses Geld können die nicht-öffentlichen Häuser einfach für die Digitalisierung anstelle der Verfahrenskosten der Ausschreibung einsetzen. Bei zehn Projekten sind wir schnell bei einer halben Million Euro.

Die schlechte Nachricht für die “kirchlichen” und privaten Krankenhäuser ist: was genau eine Auftragsvergabe “nach wettbewerblichen Gesichtspunkten zu wirtschaftlichen Bedingungen” bedeuten soll und welche Legaldefinition bei “soweit möglich” gilt, ist Auslegungssache.

Wann sind die wettbewerblichen Gesichtspunkte so ausreichend berücksichtigt worden, dass die Bedingungen wirtschaftlich sind? Wann ist “soweit möglich” und für wen? Hat der Projektleiter viel zu tun und holt deswegen nur ein Angebot von seinem KIS-Anbieter, war es für ihn nur “soweit möglich” gewesen?

Denn die Regelungen der Ausschreibungsverfahren (VgV, GWB, UvgO) und die dazugehörige umfangreiche Rechtsprechung definieren es ziemlich genau, wann die wettbewerblichen Anforderungen erfüllt sind und was unter der wirtschaftlichen Beschaffung zu verstehen ist. Diese gelten aber nun für die nicht-öffentlichen Kliniken nicht.

Man kann also als Vergleich zur Straßenverkehrsordnung (StVO) sagen: es ist so, als ob das Land NRW die  StVO außer Kraft gesetzt hätte, mit dem Hinweis: “Fahren Sie einfach umsichtig, das wird schon”.

Die Anwaltskanzleien, die auf öffentliches Wirtschaftsrecht spezialisiert sind, freuen sich schon auf viele Aufträge bei Klagen nach Widerruf der Zuwendungsbescheide.

Adam Pawelek
projectontime.de

[1] Der Erlass ist zu finden unter: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=7&vd_id=19593&ver=8&val=19593&sg=0&menu=0&vd_back=N
[2] Die AN-Best-P-Corona können heruntergeladen werden unter: https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/anbest-p-corona.pdf

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