Rüge im Vergabeverfahren

Rügen in Vergabeverfahren: Kriegserklärung oder Chance?

Vergabeverfahren unterliegen strengen gesetzlichen Vorgaben, um Transparenz, Gleichbehandlung und fairen Wettbewerb sicherzustellen. Immer öfter nutzen Bieter die Möglichkeiten einer Rüge. Für Auftraggeber hat eine Rüge jedoch weitreichende Folgen – von Verzögerungen über zusätzliche Kosten bis hin zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Neben rechtlichen Aspekten ist es wichtig auch die „psychologischen Auswirkungen“ einer Rüge zu beachten.

Was ist eine Rüge?

Eine Rüge ist eine formale Beanstandung eines tatsächlichen oder vermeintlichen Vergabefehlers durch einen Bieter. Sie ist zwingende Voraussetzung für die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer. Das bedeutet: Ohne eine fristgerecht erhobene Rüge kann kein Nachprüfungsantrag gestellt werden.

Rügen werden oft erhoben, wenn Bieter sich benachteiligt fühlen oder Vergabeverstöße vermuten. Häufige Gründe sind:

  • Unklare oder missverständliche Vergabeunterlagen
  • Verstöße gegen das Transparenzgebot
  • Unzulässige Zuschlagskriterien
  • Fehlerhafte Bewertung von Angeboten

Oft entstehen Rügen aus fehlender Kommunikation oder unklaren Vergabeentscheidungen.

Ist eine Rüge eine „Kriegserklärung“ oder eine Chance?

Viele Juristen sehen die Rüge als eine „Chance“ für den Auftraggeber, seine Fehler zu beseitigen. Dies ist aber eher die Sicht eines externen juristischen Beraters, als die Sicht eines Auftraggebers.

Viele Auftraggeber empfinden eine Rüge nicht nur als sachliche Beanstandung, sondern als persönliche Attacke. Die psychologische Wirkung einer Rüge kann tiefgreifend sein, da sie das gesamte Vergabeverfahren infrage stellt und oft mit hohen finanziellen sowie zeitlichen Belastungen einhergeht.

Die Rüge stört zunächst immer den geplanten Ablauf des Vergabeverfahrens und bedeutet für die Vergabestelle viel mehr Arbeit als geplant. Oftmals müssen andere Projekte verschoben werden, um die für die Bearbeitung der Rüge notwendige Zeit „freizuschaufeln“. Gerade in den Krankenhäusern werden eingegangene Rüge fast immer an die Geschäftsführung des Krankenhauses gemeldet. Externe Vergabestelle schalten in den meisten Fällen automatisch einen Rechtsanwalt ein, um die Rüge ordnungsgemäß zu bearbeiten. Dies lässt die Kosten für die Durchführung des Vergabeverfahrens oft „durch die Decken gehen“. Denn allein die Kosten des Rechtsanwaltes sind mit 2.000,00 bis 5.000,00 € pro Rüge zu kalkulieren. In Zeiten der sehr knappen finanziellen Mitteln, insbesondere bei Krankenhäusern, sind das Ausgaben, die sehr weh tun. Insbesondere dann, wenn die Rüge im Endeffekt grundlos war.

Eine Rüge vermittelt auch immer zunächst den Eindruck, dass die Kompetenz und Integrität der Vergabestelle angezweifelt wird. Dies führt automatisch dazu, dass die Vergabestelle darüber nachdenkt, wie sie der Rüge nicht stattgeben kann.

Eine Rüge ist nicht eine Rüge
Bei der Bewertung einer Rüge kommt es insbesondere auf den Grund der Rüge selbst an. Geht es um fachliche Fragen, die sich auf die geforderten Leistungsmerkmale beziehen, dann prüft der Auftraggeber immer den beanstandeten Grund, bevor er auf die Rüge reagiert. Hierfür benötigt der Auftraggeber ausreichend Zeit. Berechtigte Rügen, die sich auf die geforderten Leistungsmerkmale beziehen, werden oft zu einer Chance für den Auftraggeber, seine Fehler zu korrigieren.

Wird die Rüge jedoch erst sehr kurz vor der Angebotsabgabefrist zugestellt, so muss in der Regeln die Angebotsfrist verlängert werden. Dies lässt die Planung der Vergabestelle für das Vergabeverfahren automatisch platzen. Daher werden oft Rügen, die im letzten Moment gestellt worden sind, wesentlich kritischer betrachtet, als Rügen die schon früh im Verfahren eingehen.

Besonders beliebt sind bei den Vergabestellen Rügen aufgrund „juristischer Spitzfindigkeiten“ und „grundlose Rügen“.

In der Stellung von Rügen mit „juristischen Spitzfindigkeiten“ sind gerade einige Einkaufsgemeinschaften selbst führend.

Beispiel: Eine Einkaufsgemeinschaft rügt den vermeintlichen Fehler in der Ausschreibung der Mitgliedschaft in einer Einkaufsgemeinschaft, dass der Auftraggeber die sog. „Auskömmlichkeitprüfung“ nach § 60 VgV offensichtlich nicht durchgeführt haben muss, weil der Zeitabstand zwischen der Submission und der Auswahlentscheidung nur 3 Tage betragen hat. Damit hat der Bieter „ins Blaue hinein“ unterstellt, dass die Vergabestelle nicht in der Lage gewesen sein kann, innerhalb von drei Tagen die Angebote zu prüfen und ggf. entsprechende Rückfrage beim Bestbieter zu stellen und beantwortet zu bekommen. Eine solche Rüge müßte mal ein Lieferant bei einer Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung durch eine Einkaufsgemeinschaft wagen…

Ein Beispiel für eine „grundlose Rüge“ ist die Rüge wegen der nicht Beantwortung von gestellten Bieterfragen, bevor die gesetzliche Frist (§ 20 Abs. 3, S.1 Nr. 1 VgV) für die Beantwortung der Bieterfragen abgelaufen ist. Denn die Vergabestelle wird üblicherweise die Angebotsfrist von sich automatisch verlängern, wenn sie die Frist von 6 Tagen zur Beantwortung der Bieterfragen nicht einhalten kann, weil sie ggf. noch intern prüfen muss, wie die Frage beantwortet werden kann. Da auch solche Rügen bearbeitet werden müssen, führt dies zu unnötigen Verzögerungen und Kosten.

Fazit

Bieter haben das Recht vergaberechtliche Fehler zu rügen. Rügen sind für Auftraggeber immer eine erhebliche Herausforderung, die mit hohen Kosten und Verzögerungen verbunden sind. Eine Rüge wird oftmals beim Auftraggeber als „Kriegserklärung“ bewertet, insbesondere dann, wenn die Rüge spät und ohne wichtigen Rund oder mit „juristischen Spitzfindigkeiten“ gestellt wird. Der Einsatz der Rüge sollte daher gut überlegt sein und nur dann erfolgen, wenn offensichtliche gravierende Vergabefehler nachzuweisen sind. Rügen „ins Blaue hinein“ sind nicht nur selten erfolgreich, sondern haben auch keinen positiven Effekt auf die zukünftige mögliche Zusammenarbeit. Denn man sieht sich im Leben immer mehr als nur einmal.

Adam Pawelek
projectontime.de

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