Als Ende der 1980er / Anfang der 1990er Jahre die ersten Einkaufsgemeinschaften für Krankenhäuser entstanden sind, war der gemeinsame Einkauf durch Krankenhäuser ein Novum. Im Vordergrund stand die Gemeinschaft und die Idee, gemeinsam durch bessere Einkaufskonditionen, zu sparen. Die “Mitglieder” der einzelnen Einkaufsgemeinschaften waren meistens nicht nur Kunden, sondern Miteigentümer der Gesellschaften. Die Gemeinschaften finanzierten sich über Rückvergütungen (Boni) der Industrie und konnten so die Geschäftsführungen der Kliniken überzeugen: unsere Leistungen “kosten nichts”, bringen aber bessere Einkaufskonditionen.
Seitdem hat sich an der Finanzierung der Einkaufsgemeinschaften wenig geändert. Weiterhin werden von den Lieferanten (meist umsatzabhängige) Boni an die Einkaufsgemeinschaften gezahlt, die der Finanzierung der Einkaufsgemeinschaft dienen und deren Überschüsse manchmal an die Mitglieder ausgezahlt werden. Und genau hier liegt der “Casus Knacktus”.
Alleine die Abrechnung der Boni zwischen den Einkaufsgemeinschaften und den Lieferanten produziert auf beiden Seiten einen immensen Aufwand, den letztendlich die Krankenhäuser finanzieren müssen. Außerdem kann eine Einkaufsgemeinschaft ohne Rückprüfung Ihrer Mitglieder nicht prüfen, ob die Angaben der Lieferanten korrekt sind. Da eine Einkaufsgesellschaft meist um 500 Vertragslieferanten hat, ist dieses Unterfangen auch eine zeitraubende Angelegenheit. Je nach Rechtsform der Einkaufsgesellschaft und der individuellen Vertragsgestaltung mit den “Mitgliedern” können die Kliniken sehr oft gar nicht nachvollziehen, wieviel die Einkaufsgesellschaft eigentlich selbst verdient. Da helfen die Berichte der Wirtschaftsprüfer auch wenig, das Problem der Intransparenz zu lösen.
Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen immer mehr ein weiteres Problem der Einkaufsgesellschaften auf: “Gleiche Konditionen für alle” ist nicht nur nicht sinnvoll, sondern auch nicht durchsetzbar. Daher hat sich diese offiziell gepredigte Regel in den letzten Jahren immer mehr verwässert. Große Kliniken mit großen Abnahmemengen bekommen sehr oft individuelle Konditionen, von denen die anderen “Mitglieder” gar nichts wissen (dürfen). Und wenn es schon in der Gemeinschaft gleiche und “gleichere” Mitglieder gibt, dann sollte gefragt werden, was bedeutet eigentlich ein Mitglied einer “Gemeinschaft” zu sein.
Genau dieser Trend ist aktuell stark sichtbar. Immer mehr Krankenhäuser betrachten die Einkaufsgesellschaften als genau das, was sie sind: Dienstleister. Und genauso, wie eine Wäscherei ausgetauscht werden kann, wenn die Konditionen oder die Qualität woanders besser sind, ist es auch bei einer Einkaufsgesellschaft.
Der Wechsel einer Einkaufsgesellschaft gestaltet sich besonders an einer Stelle als problematisch, und zwar bei der Frage nach den Kosten der Dienstleistung. Denn die Finanzierung der Gesellschaften über Umsatzboni und ähnliche Vertragsstrukturen, führt oftmals dazu, dass der Dienstleistungspreis auch mal eine Gutschrift sein kann und der Einkäufer nicht in der Lage ist, seine Einkaufspreise korrekt zu berechnen. Das ist ungefähr so, auch wenn Sie einen Maurer beauftragen würden und er Ihnen nach getaner Arbeit 500,- € schenkt, da seinen Lohn schon der Hersteller der Ziegelsteine bezahlt hat, die Sie überteuert kaufen mussten.
Es ist daher an der Zeit, dass neben der Digitalisierung der Einkaufsprozesse (z.B. durch B2B-Plattformen), die Finanzierung der Dienstleister klar und deutlich geregelt wird: Die Kliniken bezahlen für die Dienstleistung und im Gegenzug stehen jegliche Rabatte, Boni etc. nur den Krankenhäusern zu. Solange die bisherigen Finanzierungsformen beibehalten werden, werden die Intransparenz und die Vergleichbarkeit der Einkaufsgesellschaften als große Probleme ungelöst bleiben. Hier liegt sicherlich eine große Chance für die Einkaufsgemeinschaften, sich vom Wettbewerb wirklich zu unterscheiden. Man muss er halt nur wollen.
Adam Pawelek
projectontime.de