Die Zahlungsmoral der Krankenhäuser: Ein zunehmendes Problem für das Gesundheitssystem

In den letzten Monaten zeigt sich in Deutschland ein besorgniserregendes Bild: Immer mehr Krankenhäuser geraten in finanzielle Schieflage, was sich nicht zuletzt in der schleppenden Begleichung von Rechnungen widerspiegelt. Dieses Phänomen ist nicht auf kleinere Einrichtungen beschränkt, sondern tritt auch bei großen Klinikgruppen auf. Die daraus resultierenden Konsequenzen für das Vertrauensverhältnis zwischen Krankenhäusern und ihren Lieferanten sowie Dienstleistern sind inzwischen gravierend.

Ursachen der Zahlungsschwierigkeiten

Während früher oft die Zahlung von Rechnungen erst auf zweite Mahnung als “Maßnahme zur Liquiditätssicherung” angesehen worden ist, haben heute viele Kliniken tatsächlich Zahlungsschwierigkeiten. Die Gründe für die Zahlungsschwierigkeiten sind vielschichtig. Die Finanzierung des Gesundheitssystems steht seit Jahren unter Druck: Einerseits steigen die Kosten für medizinische Leistungen, Personal und Technologie kontinuierlich, andererseits decken die von den Krankenkassen gezahlten Pauschalen oft nicht die tatsächlichen Kosten der Behandlungen. Dies führt dazu, dass Krankenhäuser nach Wegen suchen müssen, um Kosten zu sparen – leider immer öfter auf Kosten der Zahlungsmoral.

Hinzu kommt, dass der Investitionsbedarf in die Infrastruktur vieler Krankenhäuser hoch ist. Viele Einrichtungen arbeiten mit veralteter Technik und müssen dringend in moderne Medizintechnik und Digitalisierung investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Patientenversorgung auf einem hohen Niveau zu sichern. Diese Investitionen belasten die Budgets zusätzlich.

Ein weiterer Punkt ist das Management in einigen Krankenhäusern. Die Digitalisierung der Rechnungsbearbeitung hat die ineffizienten Prozesse der Rechnungsprüfung und -freigabe erwartungsgemäß nicht verbessert. Die Ineffizienz der Prozesse wird jetzt einfach digital abgebildet. Nicht selten wird das Thema “Zahlungsmoral” vernachlässigt. Bei Umstellung durch Lieferanten auf Vorkasse wird jedoch die Aufregung groß, ohne kritisch zu hinterfragen, was den Lieferanten dazu veranlasst hat.

Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis

Regelmäßige verspätete Zahlung von Rechnungen hat direkte Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis zwischen Krankenhäusern und ihren Lieferanten sowie Dienstleistern. Viele Unternehmen, die auf die pünktliche Zahlung ihrer Rechnungen angewiesen sind, um ihre eigenen Kosten zu decken, verlieren das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Krankenhäuser. Als Reaktion stellen einige Lieferanten und Dienstleister auf Vorkasse um. Dies verschärft die finanzielle Lage der Krankenhäuser weiter, da sie nun vor der Erbringung von Leistungen zahlen müssen, was den Liquiditätsdruck erhöht.

Ein weiteres gravierendes Problem ist der Vertrauensverlust, der durch die Insolvenz einiger Krankenhäuser entsteht. Wenn Kliniken Konkurs anmelden, bleiben Lieferanten und Dienstleister oft auf offenen Rechnungen sitzen. Dies hat zur Folge, dass das Vertrauen in die gesamte Branche sinkt. Lieferanten werden vorsichtiger und ziehen es vor, Geschäfte mit finanziell stabileren Partnern in anderen Ländern zu machen, was für finanziell angeschlagene Krankenhäuser den Zugang zu notwendigen Gütern und Dienstleistungen erschwert.

Eine kontinuierliche Überwachung der Liquidität der Kunden ist für die Lieferanten und Dienstleister weder personell noch finanziell möglich.

Einige Start-Up´s im Gesundheitswesen berichten, dass sie mit großen Vorbehalten der Investoren zu kämpfen haben, sobald Krankenhäuser als Zielgruppe des Produktes genannt werden.

Der Ruf der deutschen Krankenhäuser als “Garant der finanziellen Zuverlässigkeit” im Vergleich zu anderen Branchen bzw. Kundengruppen hat in der letzten Zeit massiv gelitten.

Auswirkungen auf die Versorgung der Kliniken

Bereits heute beliefern einige Lieferanten die Krankenhäuser nur gegen Vorkasse oder verhängen Lieferstopp bei überfälligen Rechnungen. Dieses hat unmittelbar negative Auswirkungen auf die Versorgung der Kliniken, insbesondere bei Produkten, die nicht einfach substituiert werden können. Der Prozess der Bestellabwicklung wird durch Vorkasse verlängert und belastet die Einkaufsabteilungen zusätzlich, die meist bereits heute schlecht personell ausgestattet sind. In Bereichen, bei denen die Nachfrage nach Dienstleistungen das Angebot übertrifft, werden die Dienstleistungsaufträge von Kunden bevorzugt bearbeitet, die rechtzeitig ihre Rechnungen begleichen. Denn gerade diese Kunden sind für die wirtschaftliche Stabilität des Dienstleisters von größter Bedeutung. Genauso, wie sich Krankenhäuser untereinander über Probleme mit Lieferanten “austauschen”, tun das die Lieferanten über die Zahlungsmoral der Kliniken.

Mögliche praktische Lösungsansätze

Um die Zahlungsmoral der Krankenhäuser zu verbessern und das Vertrauensverhältnis zu den Lieferanten und Dienstleistern wiederherzustellen, sind umfassende Maßnahmen erforderlich. Bei der Suche nach möglichen Lösungsansätzen sollte die angespannte finanzielle Lage der Krankenhäuser durch die politische Situation bzw. mangelnde Krankenhausfinanzierung ausgeblendet werden und zwar genauso, wie die Frage, wie der Lieferant seine Vorkosten für die Produktion finanziert. Die praktikablen Lösungen setzen voraus, dass sie im Einflussbereich des einzelnen Krankenhauses liegen.

Zunächst ist eine intensive und kritische Beschäftigung mit den Prozessen der Rechnungsbearbeitung notwendig. Auf diese Weise können Stellen im Prozessverlauf entdeckt werden, bei denen die Rechnungsbearbeitung stockt. An dieses Stellen sollten die Prozesse optimiert werden.

Des Weiteren sollte ein Eskalationsprozess definiert werden, in dem Fälle der Überschreitung der Zahlungsziele behandelt werden. Spätestens nach Ablauf der Frist in der ersten Zahlungserinnerung sollte der Fall an die nächsthöhere Verantwortungsebene eskaliert werden. Gibt es mit der Rechnung ein Problem, so muss der Lieferant/Dienstleister schnellstens hierzu kontaktiert werden. Die Bemängelung einer Rechnung erst nach Ablauf der Zahlungsfrist und ggf. nach erster Mahnung ist nicht nur ein Beweis für schlechte Prozessabläufe, sondern hat eine gravierende Auswirkung auf das Vertrauensverhältnis, da es mangelnde Wertschätzung der Leistung des Lieferanten/Dienstleisters beweist.

Nicht zuletzt sollte das Krankenhaus frühzeitig mit dem Lieferanten/Dienstleister ins Gespräch kommen, wenn  das Krankenhaus eine Verlängerung des Zahlungsziels benötigt. Im Gespräch wird im Rahmen einer partnerschaftliche Zusammenarbeit eine für beide Seiten optimale Lösung meist gefunden.

Adam Pawelek

HC-Change Consulting

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