Die vergaberechtlichen Regelungen bei KHZG-Projekten sind oftmals verwirrend. Insbesondere Krankenhäuser, die keine öffentlichen Auftraggeber sind, stoßen oft an ihre Grenzen. Vergaberecht, Zuwendungsrecht, VgV, GWB, UVgO, ANBest-P – wer soll das alles verstehen?
Bei der Ausschreibung von KHZG-Projekten kommt es zunächst auf die Frage an, ob der Auftraggeber
a) öffentlicher Auftraggeber nach § 99 GWB ist oder
b) kein öffentlicher Auftraggeber ist.
Die öffentlichen Auftraggeber müssen nämlich das “übliche” Vergaberecht beachten und quasi zusätzlich die vergaberechtlichen Auflagen, die sich aus dem Förderbescheid ergeben (auch Zuwendungsrecht genannt).
Die nicht-öffentlichen Auftraggeber (z.B. kirchliche oder private Krankenhäuser) unterliegen “nur” den vergaberechtlichen Auflagen des Förderbescheides, haben es also wesentlich einfacher.
Wie sieht es den mit diesen “Auflagen des Förderbescheides” aus?
Im Förderbescheid werden immer Auflagen aufgeführt, die der Fördergeldnehmer erfüllen muss, damit er die Förderung bekommt. Also praktisch, wie die alte Tante, die einem Geld schenkt, aber gleichzeitig bestimmt, dass dieses Geld “für die Ausbildung der Kinder” ausgegeben werden muss. Im Klartext: wer das Geld gibt, kann es bestimmen, wie das Geld ausgegeben werden darf.
Eine “Auflage” im KHZG-Förderbescheid, aus der sich die Anwendung des Vergaberechtes ergibt, heißt “Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung”, kurz “ANBest-P”.
Damit es für die Fördergeldnehmer nicht zu einfach wird, hat jedes Bundesland eigene ANBest-P, die sich auch voneinander wesentlich unterscheiden. In manchen Bundesländern (z.B. NRW) muss “kein Vergabeverfahren” durchgeführt werden, in manchen (z.B. Bayern) nur national nach UVgO. Manche ANBest-P beinhalten weitere Erleichterungen, wie z.B. die Befreiung von der Pflicht zur Losbildung.
Für die nicht-öffentlichen Auftraggeber gelten dann die Regelungen der ANBest-P des Bundeslandes, in dem der Auftraggeber seinen Sitz hat. Hat er Krankenhäuser in mehreren Bundesländern, dann wir es schön kompliziert.
Oftmals führt dann der Auftraggeber freiwillig ein EU-Verfahren durch, damit er mit diesem “Vollprogramm” alle möglichen Auflagen erfüllt.
Der öffentliche Auftraggeber muss neben den ANBest-P auch das übliche Vergaberecht anwenden (darauf wird oft auch in den ANBest-P gesondert hingewiesen und damit zur Auflage gemacht). Er muss sich also beides anschauen und die Vorgehensweise wählen, die beide Auflagen gleichzeitig erfüllt.
Schauen wir uns dies an einem Bespiel an:
Das Krankenhaus X ist kein öffentlicher Auftraggeber und und hat den Sitz in Niedersachsen. Das Krankenhaus möchte eine Ausschreibung eines Patientenportals inklusive Patientenkurve als Gesamtvergabe durchführen.
Da X kein öffentlicher Auftraggeber ist, gilt gemäß Pkt. 3.2.1 der ANBest-P (Niedersachsen), dass die Vergabe nach UVgO durchzuführen wäre und die Pflicht zur Losbildung (ansonsten in § 22 UVgO zu finden) entfällt. Also kein Problem.
Was wäre denn, wenn X ein öffentlicher Auftraggeber wäre?
Dann hätte X eine EU-weite Ausschreibung machen müssen (nach VgV) und wäre zunächst verpflichtet, die Leistung nach § 97 Abs. 4 GWB in Lose aufzuteilen. Er könnte aber auf die Losaufteilung verzichten, wenn “wirtschaftliche oder technische Gründe” eine Gesamtvergabe erfordern. Für die Entscheidung für eine Gesamtvergabe ist es erforderlich, dass sich der Auftraggeber im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzt und sodann eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange trifft.[1].
So kann gerade bei Beschaffungen von Systemen einer “kritischen Infrastruktur” eine Gesamtvergabe gerechtfertigt sein, wenn dadurch die Funktionsfähigkeit und die Ausfallsicherheit erhöht werden.[2]
Letztendlich kann auch zusätzlich argumentiert werden, dass der Zweck der Losbildung – nämlich Unterstützung von kleineren Unternehmen – bei der Gesamtvergabe eines Patientenportals nicht tangiert wird, denn die kleinen Unternehmen als Bietergemeinschaft oder als Haupt- und Unterauftragnehmer fungieren können und damit weiterhin ein Angebot abgeben können.
Was kann ein Anbieter, der das anders sieht, gegen eine solche Gesamtvergabe unternehmen?
Ist X ein öffentlicher Auftraggeber, dann wäre ein Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer möglich (wenn der geschätzte Auftragswert über 215.000,- € netto liegt).
Ist X kein öffentlicher Auftraggeber, dann sind die Vergabekammern nicht zuständig. Stellt ein Bieter dennoch einen Nachprüfungsantrag, dann wird die Kammer den Antrag ablehnen und der Anbieter bleibt auf den Kosten sitzen.
Wie im Vergaberecht fast immer, kommt es also auf den einzelnen Fall und umfangreiche und korrekte Dokumentation an.
Adam Pawelek
[1] OLG Frankfurt a.M, Beschluss vom 14.05.2018, 11 Verg 4 / 18
[2] VK Rheinland, Beschluss vom 17.02.2020 – VK 56/19