KHZG: Die echte Kunst bei Begründung der Dringlichkeit beim Patientenportal

Einige Krankenhäuser begeben sich aktuell in der kreativen Ausgestaltung der Vergabeverfahren auf ein besonders dünnes Eis. Einige Bekanntmachungen im EU-Vergabeportal (TED) würden ohne Probleme als moderne Kunst eingestuft werden können.

Das öffentliche Vergaberecht stellt für viele Krankenhäuser eine besondere Herausforderung dar. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Wunsch nach einer Vereinfachung der Vergabeverfahren überall hoch im Kurs steht.

Dabei wird meist verkannt, dass es im Endeffekt um die Frage geht, ob man die Fördermittel zurückzahlen muss oder behalten darf. Folglich sollte man bei allen Anflügen der Kreativität versuchen, “die Kirche im Dorf” zu lassen.

Einen besonderen Anflug von Kreativität scheint ein großes, kommunales Klinikum gehabt zu haben, das die Vergabe ohne Ausschreibung (quasi als Direktvergabe) eines Patientenportals bekanntgegeben hat.

Die Vergabe eines Patientenportals mittels einer sog. “Auftragsvergabe ohne vorherige Bekanntmachung eines Aufrufs zum Wettbewerb” stellt für kundigen Vergabepraktiker mit fundierten IT-Fachkenntnissen schon an sich ein fast unmögliches Unterfangen dar. Denn bei Patientenportalen gibt es nur in sehr seltenen Ausnahmefällen ein Chance, eine halbwegs belastbare Begründung hierfür zu finden. Wenn sich aber der Auftraggeber auf besondere Dringlichkeit der Beschaffung wegen der 4. Coronawelle und den damit verbundenen Katastrophenfall beruft, um mit Hilfe des Patientenportals die Patientenflüsse zu steuern, kann man wohl nur noch von moderner Kunst am Vergaberecht sprechen.

Nochmals für alle, die es beim ersten Lesen auch nicht verstanden haben: Man hat ein Patientenportal wegen Corona ohne Ausschreibung gekauft. Und nein, es ist kein Scherz, der 1. April kommt noch.

Unabhängig davon, dass der Prüfer bei der Prüfung der Fördermittelverwendung in akute Lebensgefahr wegen Verschluckens am Kaffee geraten könnte. Aber ist es wirklich sinnvoll, die Anbieter von Patientenportalen quasi dazu zu zwingen, vor die Vergabekammer zu gehen? Zugegeben, eine Begründung auf einen möglichen Meteoriteneinschlag aufzubauen wäre ein wenig abenteuerlicher, aber wirklich nur ein wenig. Und wenn kein Anbieter darauf reagiert? Dann bitte aber nicht später rumjammern, wenn dies Schule macht!

Es bleibt zu hoffen, dass bis das Patientenportal implementiert ist (was üblicherweise einige Monate dauert), es keine “4 .Welle” mehr gibt, auch keine “15. Welle”. Und gegenseitige Infektionen der Patienten konnten auch bisher ohne ein Patientenportal vermieden werden. An dieser Stelle von “äußerster Dringlichkeit” zu sprechen…muss einfach Kunst sein.

Nun ja, es gibt viele Möglichkeiten, auf den eigenen Ruf auf dem Markt Einfluss zu nehmen – gleichermaßen auf der Auftraggeber- als auch auf der Auftragnehmerseite.

Adam Pawelek
projectontime.de

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