Grundsätze der Vergabe – die Regeln für Ihr “Bauchgefühl”

Die Vorbereitung und Durchführung von öffentlichen Ausschreibungen wird von vielen Krankenhäusern negativ gesehen, manchmal auch gehasst oder gefürchtet. Das öffentliche Vergaberecht entwickelte sich über Jahre, nicht zuletzt über viele Gerichtsentscheidungen.

Oftmals wird bei der Kritik des öffentlichen Vergaberechtes und deren Restriktionen vergessen, welches Ziel das Ganze verfolgt, nämlich den sparsamen, wirtschaftlichen Umgang mit Steuermitteln, also mit unserem Geld.

Interessanterweise bilden einige Grundsätze der öffentlichen Auftragsvergabe einen Rahmen bei Beschaffungen, der bei vielen freihändigen Vergaben der Kliniken, die nicht öffentlich ausschreiben müssen, zu besseren, wirtschaftlichen Ergebnissen führen würde. Wie oft haben wir die Situation, dass der Bedarf nicht als Erstes festgelegt wird, um so tatsächlich vergleichbare Angebote zu erhalten? Dafür wird die wichtige Aufgabe der Bestimmung, was ein Krankenhaus braucht, nicht selten den Verkäufern überlassen. So bekommt der Einkäufer am Ende zwei, drei völlig unterschiedliche Angebote und soll der Geschäftsführung eine Empfehlung abgeben, ob es besser ist, mehr für hervorragende Äpfel zu bezahlen oder doch einen Obstkorb mit Birnen und Pflaumen mittlerer Qualität zum günstigeren Preis zu nehmen. Es ist dabei gang und gebe, dass der Verkäufer die von ihm angebotenen Funktionen erst in der Verhandlung erläutert und der Anwender völlig erstaunt sagt: “Ach so, nee, das brauche ich gar nicht!”. Hand aufs Herz, wie viele tolle Funktionen haben Sie (mit-)gekauft, die niemand nutzt?

 

Beim öffentlichen Vergaberecht gibt es die sog. zentralen Vergabegrundsätze, die wie eine Art “Bibel” allen Ausschreibungen und Entscheidungen der Vergabekammern und Gerichte, zu Grunde gelegt werden.* Diese Grundsätze können bei allen Überlegungen, wie man eine Ausschreibung gestalten will, ebenfalls als Maßstab genommen werden. Sagt das Bauchgefühl, dass die eigene Idee einen dieser Grundsätze stark “beeinspruchen” könnte, ist die Idee sehr wahrscheinlich vergaberechtlich problematisch.

 

Der erste Grundsatz ist der “Wettbewerbsgrundsatz”. Aufträge werden im Wettbewerb vergeben. Denn schränkt der Käufer selbst den Wettbewerb unnötig ein, so eröffnet er den Anbietern die Möglichkeit, höhere Preise zu verlangen. Der freie Wettbewerb bildet bekannterweise einen der Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft. “Ich weiß, was ich will” muss nicht zwingend bedeuten, dass die eigenen Ziele auch nicht auf eine andere Weise erreicht werden könnten, wenn z.B. andere Anbieter die Chance bekämen, deren Lösungen vorzustellen.

 

Damit hängt direkt der zweite Grundsatz zusammen – das “Gleichbehandlungsgebot”. Wie oft fühlen sich Menschen ungleichbehandelt im Leben? Warum sollte es daher erlaubt sein, die Anbieter ungleich zu behandeln? Wenn man dem “bevorzugten” Lieferanten mehr Zeit für die Erstellung des Angebotes gibt oder auch mehr Informationen, dann hat dieser Anbieter einen wesentlichen Vorsprung gegenüber seinem Wettbewerb. Genau hier setzt die vergaberechtliche Pflicht an, alle Bieter gleich zu behandeln.

 

Der dritte Vergabegrundsatz ist das “Transparenzgebot”. Die Bieter müssen darüber informiert werden, was der Käufer genau will und wie er seine Entscheidung treffen möchte. Genau diese Transparenz unterstützt den Wettbewerb. Und werden alle Anbieter transparent über die Einzelheiten der Auftragsvergabe informiert, so werden sie bei dieser Gelegenheit auch gleich behandelt.

 

Der vierte Vergabegrundsatz ist das “Prinzip der Wirtschaftlichkeit”. Kann es nämlich sinnvoll sein, Geld unwirtschaftlich auszugeben, z.B. um subjektive Wünsche eines Mitarbeiters einer Klinik zu erfüllen? In der Sendung “Mario Barth deckt auf” werden die krassesten Fälle von Steuerverschwendung angeprangert. Auch die Finanzierung der Krankenhäuser über die DRG´s sind im Grunde öffentliche Gelder…

 

Auf Platz fünf  der Vergabegrundsätze ist der “Grundsatz der Verhältnismäßigkeit” zu finden. Dieser Grundsatz legt fest, dass jegliche Maßnahmen im Vergabeprozess nicht darüber hinausgehen dürfen, was erforderlich ist, die angestrebten Ziele zu erreichen.

Es ist also z.B. nicht erlaubt zu fordern, dass der Verkäufer zu den Verhandlungen seine Katze mitbringen muss, wenn im Beschaffungsbedarf keine Katzen vorkommen. Dieser Grundsatz wird in der Praxis sehr oft und gerne in den sog. “Eignungskriterien” verletzt.

 

Auf dem letzten Platz ist der “Mittelstandschutz” gelandet. Auch wenn es einfacher ist, riesige Aufträge an nur einen Anbieter zu vergeben, fordert das Vergaberecht die Aufteilung in sog. “Lose”, damit auch kleinere Unternehmen eine Chance auf den Auftrag haben.

Gebe es diesen Grundsatz nicht, hätten viele Startups schlechte Karten bei der Auftragsgewinnung.

 

Auch wenn die Durchführung von öffentlichen Vergabeverfahren mit großem Aufwand und zusätzlichen Kosten für die Verfahren selbst verbunden sind, ist das Vergaberecht gar nicht so schlecht, wie oft behauptet wird. Und wenn es kein öffentliches Vergaberecht gäbe, dürfte jeder mit öffentlichen Mitteln machen, was er will. Daher ist es auch völlig richtig, dass bei der Verteilung von Fördergeldern das Vergaberecht anzuwenden ist. Sonst wäre die nächste Steuererhöhung ganz schnell wieder fällig.

 

Adam Pawelek
projectontime.de

 

 

*schauen Sie sich hierzu den § 97 GWB an.

 

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